08.07.2020 Großer Inselsberg – Suhler Ausspanne
Strecke laut Navi: 37,3 km / 844 Höhenmeter
Die erste Nacht im Zelt ist ohnehin oft die unruhigste. Die Isomatte rutscht auf dem etwas abschüssigen Waldboden ständig zur Seite, der Regen plätschert recht laut aufs Zeltdach und so richtig warm ist es auch nicht unter meinem Quilt, dem ich aus Gewichts- und Stauraumgründen den Vorzug vor meinem Schlafsack gegeben habe. Als es 6 Uhr ist, erlaube ich mir langsam aufzustehen. So richtig Lust habe ich auch nicht: Das nasse Zelt im tropfnassen Wald einzupacken, motiviert nicht gerade und eine dunkle Ahnung beschleicht mich, dass ich meine Kräfte gestern überschätzt haben könnte und Beine und Füße heute weniger kooperativ sein werden. Gegen 8 Uhr bin ich endlich abmarschbereit. Die Laufstöcke, mit denen ich gestern eins geworden bin und die mir bergauf und -ab beste Dienste geleistet haben, tausche ich heute gegen den Regenschirm aus. Beides gleichzeitig geht schlecht.
Frühstück mache ich in der ersten Schutzhütte, die am Weg liegt. Das muss man dem Rennsteig lassen: Es gibt alle paar Kilometer eine komfortable Unterstellmöglichkeit mit Bänken, wo man die schlimmsten Schauern abwarten kann.
Heute gibt es weniger zu sehen: Highlights sind ein Aussichtsturm ohne Aussicht, dafür aber mit Mobilfunknetzempfang, der bisher deutschlandtypisch sehr rar ist, und der Steinbruch Spittergrund.
Für eine Weile geht der Regen über in hundertprozentige Luftfeuchtigkeit, die sofort kondensiert, sobald sie in eine körpernahe Sphäre eintritt.
Am ersten (von 3? insgesamt) Rennsteighaus lese ich auf einem großen Schild: „Anstrengungen machen gesund und stark“. Ich nehme an, das ist ein Zitat Martin Luthers, der – so entnehme ich einer Texttafel – an dieser Stelle im Februar 1537 auf wichtiger Mission den Rennsteig kreuzte. Wie dem auch sei, die Duschen und Toiletten, deretwegen ich extra 50c-Münzen mitgenommen hatte, sind Corona-bedingt geschlossen. Nicht geschlossen ist dagegen die Würstchenbude, sodass ich mein nun bereits zwei Tage währendes Rennsteigritual der täglichen Thüringer Rostbratwurst aufrechterhalten kann.
Durch Nebel und Regen – für die, wie mir ein Wanderer bei einer Schutzhütte anvertraut, der Rennsteig bekannt ist – laufe ich bis zum Grenzadler, dem Hauptquartier der hiesigen Skisportaktivitäten.
Bei einem Kakao und einer warmen Mahlzeit treffe ich den Wanderer von eben wieder, der erzählt, er übernachte in den Schutzhütten, damit sein Zelt trocken bleibe, eine Idee die ich mir zu eigen machen werde, verspüre ich doch eine große Unlust, mein feuchtes Zelt eine weitere Nacht im Regen stehen zu haben. Einige Kilometer weiter finde ich einen Unterschlupf in einer Skibaude („Baude“ heißen hierzulande die Hütten) bei der Suhler Ausspanne, wo ich vom Regen größtenteils geschützt bin und dennoch auf die Annehmlichkeiten des Zeltes (Insektenschutz, Privatsphäre, sauberer Untergrund für die Isomatte) nicht verzichten muss.
Als der Wanderer, dessen Namen ich noch immer nicht kenne, einige Stunden später ebenfalls die Hütte erreicht, in der ich mich inzwischen häusliche eingerichtet habe, und fragt, ob noch Platz sei, muss ich leider verneinen … und bin ehrlich gesagt froh, das wir die Nacht nicht dicht an dicht verbringen müssen.