Nach einem kräftigen Frühstück beginnt die Wanderung heute direkt gegenüber des Hotels beim Golfplatz von Dornoch. Für drei Kilometer meandert der Pfad durch Greens, Roughs und Fairways. Dann durchquert er einen Caravanpark, um in Embo zu enden.
Hier ist ein kleines Lädchen, das nur morgens geöffnet ist und auch nur das Nötigste im Sortiment hat. Aber wie gut, dass sich so ein Laden halten kann, wenn genug Menschen aus dem Örtchen dort einkaufen. Die Leute kommen vielleicht auch hauptsächlich zum Reden her, jedenfalls warte ich gern, bis alle wichtigen Familiengeschichten und Neuigkeiten ausgetauscht sind, bevor ich dran bin, Käse und Schokolade zu bezahlen. Ich muss kurz erzählen, was ich hier mache, und bekomme dann noch eine Gastronomieempfehlung für Helmsdale und den Wunsch, ich möge Glück haben und die Robben im Loch Fleet sehen, mit auf den Weg.
Der Pfad hinter Embo ist super zu laufen und ich atme die allgegenwärtige Seeluft in tiefen Zügen ein.
Wie schon so oft komme ich durch ein Kissing Gate und zum ersten Mal fällt mir auf, was für ein netter Begriff das ist. Ich gehe davon aus, dass die Durchgänge, die Tiere vom Verlassen der Weide abhalten sollen, so heißen, weil die bewegliche Tür an beiden Seiten die Halterung ‚küsst‘.
Schließlich erreiche ich Loch Fleet etwas unterhalb der Ruine von Skelbo Castle. Der JoGT folgt dem Sträßchen rund um das Loch. Hier gibt es jede Menge Enten, Möwen und andere Seevögel, die ich nicht näher bestimmen kann, aber keine Robben. Nicht eine. Dafür stehen überall Informationstafeln, die über den Lebensraum hier informieren. Wirkt alles sehr naturschutzgebietig.
Nach Umrundung des Lochs biegt die Straße auf die A9 ab und meine Wegbeschreibung merkt lapidar an: ‚The next kilometres are not pleasant walking.‘ Die A9 – Hauptverkehrsader hier im Nordosten, die so gut wie keinen Seitenstreifen hat – ist wirklich richtig ganz in echt nicht pleasant zu laufen. Meine Alternative ist, dem Verlauf eines ehemaligen Bahngleises zu folgen, das es abseits der Straße einmal gab. Das muss aber der Größe der Bäume nach Jahrzehnte her sein und jetzt sieht das einfach nach Wäldchen aus. Ich erkenne den Weg eigentlich nur daran, dass hier vor Kurzen schon einmal jemand langgegangen sein muss, denn stellenweise ist das hohe Gras etwas zur Seite gedrückt.
Nicht, dass der Weg nicht schön wäre, nur ein Weg im herkömmlichen Sinne ist es halt nicht. Irgendwann geht es hier einfach nicht mehr weiter und ich wechsele auf die A9, überquere eine Brücke und dann biegt endlich ein Pfad nach rechts in den Wald ab und ich kann die Straße hinter mir lassen.
Hier kommt mir eine Gruppe von etwa 10 Wanderern entgegen. Es stellt sich heraus, dass es sich dabei um die Jubiläumswanderung der Stiftungsmitglieder zum zweiten Jahrestag der Eröffnung des John o‘ Groats Trails handelt. Ich bedanke mich artig für die gute Arbeit, auch wenn ich den offiziellen Guide nicht benutze, und verspreche, eine Nachricht zu schreiben, wenn ich ankomme.Am Rand eines Feldes, von hier an entlang von Bahngleisen setzt sich der Weg bis zu den Balblair Woodlands fort, von wo man wieder Loch Fleet sieht. Zwischen Golfplatz – ausnahmsweise werde ich hier mal nicht komisch angeguckt oder ignoriert, sondern gefragt, ob ich auch mal abschlagen möchte – und Strand laufe ich die letzten Kilometer nach Golspie, das ich ziemlich erschlagen erreiche, als sich zum ersten Mal heute ein paar Flecken blauer Himmel zeigen.
Ein Snack im Supermarkt ist heute keine Option. Es ist noch nicht 2 Uhr, das zählt noch als Mittagszeit und ich gehe in den Trawler, der ein bisschen abgeranzt aber gemütlich aussieht und bestelle einen Trawler Fish Tea. Der Klassiker, da kann man hier am Meer nichts falsch machen. Fish & Chips, selbstgemachte Tartar Sauce, Mushy Peas, Toast mit Butter und Tee.
Ich lasse mir Zeit, trinke nich einen Kaffee und könnte auch gar nicht gleich wieder los – mein Bauch muss erstmal mit der geballten Ladung Frittierfett klarkommen. Von Golspie geht es am Meer weiter. Ich passiere Dunrobin Castle, Sitz der Earls und Dukes von Sutherland, das märchenschlossartig im Wald zu meiner Linken auftaucht. Aber für eine Besichtigung fehlt mir die Lust.
Etwas später liegt Dun Liath broch am Wegesrand, das mich mehr interessiert und auch schneller angesehen ist. Ein broch ist ein Rundbau mit einer doppelten Steinmauer, der innen wohl überdacht war und den einflussreichen Familien der Eisenzeit, die so etwas bauen konnten, Schutz vor Feinden bot.
Jetzt geht es an die Zeltplatzsuche. Das Terrain ist gut geeignet: relativ ebenes, abgefressenes Weideland. Wenn da nur die Kühe nicht wären. Nicht weit von hier ist ein Blechschuppen am Strand, wo ich meinen Rucksack lasse, um erst einmal auf Wassersuche zu gehen. Laut meiner Wegbeschreibung müsste bald ein Wasserfall kommen und so laufe ich den Weg weiter bis zum Sputie Burn, der allerdings doch zwei Kilometer entfernt ist. Hier gefällt es mir so gut, dass ich beschließe, die Sachen zu holen, um das Zelt bei einer Düne in der Nähe des Wasserfalls aufzubauen.
☁️ – 36 km (davon 4 ohne Rucksack zum Wasserfall und zurück) – 228 Hm – 4,7 km/h