6. Tag
Vor meinem inneren Auge hatte ich schon vor der Ankunft auf La Palma ein Bild der Observatorien am Roque de los Muchachos, dem höchsten Berg der Insel, aus der Vogelperspektive mit den steilen Abhängen bis zum Ozean im Hintergrund. Heute will ich diese Vision in die fotografische Realität umsetzen, wofür mir auch die ziemlich weite Anfahrt gerechtfertigt scheint. Bald schon wird deutlich, dass die Wolken mir einen Strich durch die Rechnung machen könnten, aber wenn die höchste Erhebung nicht aus dem Wolkenmeer herausragt – so denke ich – was denn dann? Frickelige Straßen führen in engen Serpentinen bis zum Gipfel und als wir endlich da sind, ist klar, dass der Wind, der hier die ganze Zeit orkanartig bläst, höchstens mal für einige Sekunden den Nebelwolkenschleier auffetzen wird, um ein wenig Sonne sichtbar zu machen.
Es ist saukalt – so kalt, dass die Feuchtigkeit, die hier mit Karacho über die Kamm gepustet wird, an Büschen und Steinen zu Eiszapfen gefriert.
Das sieht man aber nur, wenn das Grau einmal kurz aufreißt, ansonsten sieht man kaum ein paar Schritte weit. Dem Wanderweg folgen wir ein paar hundert Meter, vielleicht auch mehr, das lässt sich schwer abschätzen. Vereinzelte Gebäude tauchen kurz auf ausgesetzten Bergrändern auf und versinken sofort wieder in den wirbelnden Wolkenmassen. Es ist ohnehin zu kalt, die Kamera längere Zeit in den unbehandschuhten Händen zu halten.
So fahren wir auf östlicher Seite der Caldera wieder bergab bis Santa Cruz und lassen dort den Tag ausklingen. In einer Tapas-Bar gibt es Tintenfisch, Patas mit rotem und grünen Mojo und kleine Bratfische.